Doch was ist mit interner Software?

Laura Wissiak
Laura Wissiak

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Während die Panik vor dem European Accessibility Act (EAA) zunimmt, treffe ich immer wieder auf Menschen, die sich sicher sind, dass dies nicht auf sie zutrifft, weil sie an internen Tools oder SaaS-Produkten arbeiten. Lasst uns diese Denkweise ein wenig dekonstruieren:

Stimmt, die EAA umfasst in erster Linie technische Hardware und deren Betriebssysteme, E-Commerce-Dienste, E-Books und alles, was man braucht, um Verkehrsmittel und Bankdienstleistungen zu nutzen, ohne auf Personal angewiesen zu sein. Kurz gesagt, alles, was man für einen selbstbestimmten Alltag braucht.

Das Tolle an der EAA ist aber nicht, dass sie einen zwingt, seine Anwendungen barrierefrei zu gestalten (das sollte man schon tun), sondern dass sie einem keine konkrete Anleitung gibt, wie das geht. Das finde ich genial! Das zwingt einen dazu, tatsächlich etwas über Barrierefreiheit zu lernen, anstatt nur einer Checkliste zu folgen.

Was bedeutet das für interne Systeme?

In Österreich sind Unternehmen mit 25 oder mehr Beschäftigten gesetzlich verpflichtet, Menschen mit Behinderungen einzustellen. Für je 25 Beschäftigte muss ein Unternehmen eine Person mit Behinderung einstellen. Das sind etwa 4 % der Belegschaft.

Viele Unternehmen halten sich nicht an diese Vorschrift und zahlen stattdessen eine Abfindung. „Die Strafe einfach weiter zu zahlen“ ist kein wirklich nachhaltiges Geschäftsmodell. Und schon gar nicht eine kluge Talentstrategie. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Höhe der Abfindung pro nicht besetzter Stelle mit der Anzahl der Mitarbeiter steigt. Und ich kenne deine Kunden nicht speziell, aber meiner Erfahrung nach sind die Unternehmen, die maßgeschneiderte Software oder Tools ausschließlich für den internen Gebrauch benötigen, normalerweise nicht so klein. Wenn dir also jemals gesagt wird: „Wir haben keine Mitarbeiter mit Behinderungen, die dieses Tool nutzen“, solltest du antworten: „Das sollten wir aber“ (der Grad der Frechheit ist einstellbar).

Daraus lässt sich ableiten, dass du bei der Entwicklung eines internen Tools oder einer Software-as-a-Service immer davon ausgehen solltest, dass 4 % deiner zukünftigen Benutzer eine Behinderung haben werden.

Welche Behinderungen werden auf diese 4 % angerechnet?

Gute Frage! Denn wie ich hier immer wieder schreibe: Behinderung ist ein Spektrum. Und man wacht nicht einfach eines Tages mit einem maximalen Behinderungsgrad von 100 % auf. Okay, in der Regel ist das nicht der Fall. Rein hypothetisch könnte man das, wenn man zum Beispiel im Schlaf einen Schlaganfall erleidet. Aber dann müsste man sich immer noch durch die Schlachten des Sozialsystems kämpfen, um das legendäre Artefakt eines Behindertenausweises zu erhalten.

Nicht jeder, der eine Behinderung hat, kann den obligatorischen Quotenplatz 25 besetzen. Diese Person muss auch einen Behinderungsgrad von 50 % oder mehr haben. Wissenswertes: In Österreich werden Mitarbeiter, die einen Rollstuhl benutzen oder gesetzlich blind sind, doppelt auf die Quote angerechnet. Dein Unternehmen könnte einen Blinden als 51. Mitarbeiter einstellen und würde so €640 pro Monat an Ausgleichsabgaben sparen.


Dieser Artikel wurde ursprünglich gepostet auf laura-wissiak.com/blog